Rechtsprechung
Wegweisende Entscheide für die Staatsanwaltschaft im Jahr 2023.
Keine Einziehung geringer Mengen Cannabis für den Eigenkonsum
Eine geringfügige und für den Eigenkonsum bestimmte Menge Cannabis darf laut Schweizerischem Bundesgericht nicht eingezogen werden. Die Staatsanwaltschaft modifiziert deshalb ihre Anweisungen an die Polizei betreffend die Sicherstellung von Drogen.
Das Bundesgericht hielt mit Urteil vom 19. Juni 2023 (6B_911/2021) fest, dass eine geringfügige und für den Eigenkonsum bestimmte Menge Cannabis (bis zu 10 Gramm) nicht zur Vernichtung eingezogen werden darf. Es fehlt dafür an der gesetzlichen Voraussetzung einer Anlasstat, zumal der Erwerb und der Besitz einer geringfügigen Menge Cannabis zum Eigenkonsum legal sind.
Bis zu diesem Urteil stellte sich die Staatsanwaltschaft auf den Standpunkt, dass auch geringfügige Mengen Cannabis trotz legalem Besitz einzuziehen sind; als Folge des Urteils hat die Staatsanwaltschaft die Polizei angewiesen, geringe Mengen Cannabis grundsätzlich nicht mehr sicherzustellen.
Betreffend Kleinmengen harter Drogen wie Heroin und Kokain hält die Staatsanwaltschaft weiterhin – und in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Vorstandes der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz – an der Sicherstellung und Einziehung dieser Betäubungsmittel fest. Bei Jugendlichen wird Cannabis in der Regel weiterhin eingezogen, da die Abgabe von Betäubungsmitteln an Personen unter 18 Jahren verboten ist und somit eine Anlasstat für eine Einziehung vorhanden ist.
Keine Anordnung der Spiegelung von Daten im Entsiegelungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft
Erweist sich eine Kopie der Daten zum Schutz vor Verlust oder aus einem sonstigen Grund als angebracht, hat die Staatsanwaltschaft nach der Siegelung der Datenträger beim Zwangsmassnahmengericht ein entsprechendes Spiegelungsgesuch zu stellen. Bei Dringlichkeit kann ein solches Gesuch auch superprovisorisch gestellt werden.
Die Staatsanwaltschaft darf im Zuge eines (Ent-) Siegelungsverfahrens gestützt auf ein Urteil des Bundesgerichts aus dem Jahr 2022 (BGE 148 IV 221) keine Kopien von Daten erstellen ("Spiegelung") und diese anstelle des Originals versiegeln.
Mit Urteil vom 12. Oktober 2023 (7B_59/2023) bestätigte das Bundesgericht diese Rechtsprechung und hielt fest, dass bei Dringlichkeit ein Gesuch um Kopie der Daten zum Schutz vor Verlust oder aus einem sonstigen Grund superprovisorisch beim Zwangsmassnahmengericht gestellt werden kann.
Auf der einen Seite ist der Strafprozessordnung im Bereich der Entsiegelung eine superprovisorische Anordnung fremd, auf der anderen Seite erschwert die neue Rechtsprechung die Möglichkeiten, Kopien von Datenträgern vor Ort zu erstellen. Das Original kann nicht kurzerhand beim Inhaber belassen werden und stattdessen die Kopie versiegelt und sichergestellt werden. Gerade bei Verfahrenshandlungen in Unternehmen dürfte ein Belassen der technischen Infrastruktur für den Fortgang der Geschäftstätigkeit entscheidend sein. Weiter ist bei Datenhaltungen in Cloud-Lösungen eine unverzügliche Datenspiegelung erforderlich, damit diese Daten nicht durch alternative Zugangsmöglichkeiten vom Inhaber oder von Drittpersonen verändert oder gelöscht werden können.