Klärung von Alp-Eigentumsverhältnissen
Auf einem Teil der Alpen im Kanton St.Gallen gab es Unklarheiten bezüglich der Eigentumsverhältnisse. Das Amt für Gemeinden und Bürgerrecht engagierte sich im Jahr 2022 für eine Lösung.
Nachdem die Gebäudeversicherung St.Gallen den Rechnungsversand technisch angepasst hatte, wurden nicht mehr die Nutzenden der Alpgebäude, sondern die Eigentümerinnen und Eigentümer angeschrieben. «Eine kleine administrative Veränderung löste im Toggenburg eine grosse Verunsicherung aus, weil damit plötzlich die eigentlichen Eigentumsverhältnisse zu Tage traten», sagt Alexander Gulde, Leiter Amt für Gemeinden und Bürgerrecht. Durch den Rechnungsversand wurde deutlich, dass die Alpkorporationen Eigentümerinnen der Gebäude sind.
Hintergrund ist die Geschichte der bewirtschafteten Alpen, die sich vom Mittelalter bis in die Neuzeit im Besitz der Klöster befanden. Für die Bewirtschaftung verpachteten sie diese an Gruppen von Bauern, welche die notwendigen Gebäude errichteten. Später konnten die Bauern die Alpen von den Klöstern erwerben. Aus diesen Gruppen von Bauern entstanden die Alpkorporationen, die somit Eigentümer der Alpen waren.
Historisch bedingt wurden die Gebäude aber oft, etwa durch die Gebäudeversicherung, derart behandelt, als ob sie im Eigentum der einzelnen Mitglieder standen, obschon dies rechtlich nicht so im Grundbuch verankert war.
Bis zum Jahr 1912 waren die Rechtsverhältnisse der Alpkorporationen nicht durch übergeordnetes Recht geregelt. Seitdem erstreckt sich auf der Grundlage des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs das Eigentum der Alpkorporation in der Regel auch auf die sich darauf befindenden Gebäude.
Informationsveranstaltungen durchgeführt
Das Departement des Innern hat in Zusammenarbeit mit dem Volkswirtschaftsdepartement die Betroffenen bei der Klärung der Eigentumsverhältnisse unterstützt. In einer ersten Phase galt es, über die im Grundbuch verankerten Eigentumsverhältnisse zu informieren. Nachdem dies über die Medien und an Informationsveranstaltungen gelungen war, zeigten die Departemente in einer zweiten Phase Lösungsansätze auf, wie die Rechtsstellung der Nutzenden der Alpgebäude verbessert werden könnte.
An Treffen der Präsidentinnen und Präsidenten der Alpkorporationen konnten ein Musterbaurechtsvertrag und ein Musteralpzimmervertrag auf die Bedürfnisse der Alpbewirtschaftung abgestimmt werden. Diese Musterverträge stehen nun bereit. Es ist somit an den Nutzenden der Alpgebäude, zusammen mit den Alpkorporationen zu entscheiden, ob sie ihre Rechtsstellung konkretisieren oder ob sie den bisherigen Zustand beibehalten möchten.
Interview mit Alexander Gulde, Leiter Amt für Gemeinden und Bürgerrecht
Alexander Gulde, welches war die Herausforderung bei der Klärung der Eigentumsverhältnisse der Alpkorporationen?
In der ersten Phase war uns nicht klar, weshalb es überhaupt zu dieser grossen Verunsicherung gekommen ist. So mussten wir uns erst einmal selbst einen Überblick verschaffen.
Wie haben Sie die Informationsveranstaltungen erlebt?
Der Umgangston war schon von Beginn weg von Emotionen geprägt. Das mag am geschichtlichen Hintergrund liegen, aber auch an der Angst, jemand wolle sich diese Alpgebäude aneignen.
Gab es einen Schlüsselmoment, der die Stimmung aufzulockern vermochte?
Es war wichtig, vor Ort über die Eigentumsverhältnisse und über die Lösungsansätze zu informieren. Dabei spielte ein Büchlein aus dem Toggenburg eine wichtige Rolle. In diesem Büchlein ist die heutige Eigentumssituation beschrieben. Das knapp vierzigjährige Werk war der Beleg, dass die Situation nicht erst vor Kurzem entstanden war. Dadurch wurde die historische Komponente der Problematik deutlich.
Gibt es nun eine Lösung für die Alpgebäude?
Die Diskrepanz zwischen Tradition und rechtlicher Verankerung konnte nicht für alle Betroffenen gelöst werden. Eigentümerinnen sind bislang die Alpkorporationen, an denen die Mitglieder beteiligt sind. Eine pauschale Lösung für alle ist nicht möglich. Das Eigentum an den Gebäuden hoheitlich jemand anderem zuzuteilen, würde einer Enteignung gleichkommen. Die Voraussetzungen hierfür sind nicht erfüllt und dieser Ansatz wäre auch nicht zweckmässig, zumal die meisten Alpkorporationen seit Jahrhunderten gut funktionieren. Es liegt nun an den Korporationen, zusammen mit ihren Mitgliedern auszuloten, ob sie die Rechtsverhältnisse neu ordnen oder belassen möchten.