Arbeitsmarkt läuft heiss
Der beispiellose Nachholeffekt nach dem Ende der Corona-Pandemie schlägt auch auf den Arbeitsmarkt durch: Die Zahl der Stellensuchenden hat im Verlauf des Herbsts 2022 im Kanton St.Gallen ihren Zehnjahrestiefststand erreicht.
Während sich ein Aufschwung in normalen wirtschaftlichen Zyklen jeweils über mehrere Monate hinzieht, war dies nach der Corona-Pandemie anders. Der Bund und die Kantone hoben sämtliche gesundheitspolitischen Einschränkungen praktisch von einem Tag auf den nächsten auf. Unternehmen rekrutierten über alle Wirtschafssektoren hinweg Personal und kündigten an, in den kommenden Quartalen deutlich mehr Mitarbeitende einstellen zu wollen.
Schweizweit stieg die Zahl der offenen Stellen im Berichtsjahr zwischenzeitlich auf über 100'000. Das waren bei weitem mehr, als sämtliche bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) gemeldete Arbeitslose. Als Fazit lässt sich ziehen, dass der Fachkräftemangel zurück ins Bewusstsein gekehrt ist. Er hat im Vergleich zu den Jahren vor 2020 spürbar zugenommen.
Zu Beginn des Berichtsjahrs zählte der Kanton St.Gallen rund 12'000 Stellensuchende. Danach setzte sich der Rückgang, der schon im Jahr 2021 begonnen hatte, in beschleunigtem Ausmass fort. Am Ende des Jahres waren noch rund 9'000 Stellensuchende bei den RAV gemeldet. Der vorläufige Tiefststand wurde Ende September 2022 mit 8'490 Stellensuchenden erreicht.
Kurzarbeit bald auf Normalzustand
Im Verlauf des Jahres 2022 zahlte die kantonale Arbeitslosenkasse betroffenen Unternehmen rund 20 Millionen Franken an Kurzarbeitsentschädigung aus. Davon entfielen rund 16 Millionen Franken auf das erste Quartal und die auslaufenden Massnahmen im Zusammenhang mit der Pandemie. Im Jahr 2021 belief sich die Summe noch auf 200 Millionen Franken. Ab der Mitte des Berichtsjahrs hat sich der Stand der Kurzarbeit wieder auf das Niveau von vor der Corona-Pandemie eingependelt. Auch die Zahl der Voranmeldungen zur Kurzarbeit haben sich im Verlauf des Jahres 2022 auf einem tiefen Niveau stabilisiert und lagen Ende Jahr noch bei rund 30 Betrieben mit insgesamt weniger als 1'000 Mitarbeitenden.
Der Arbeits- und Fachkräftemangel hat praktisch alle Branchen erfasst.
St.Galler Arbeitsmarkt mit Sogwirkung
Der anhaltende Bedarf der Wirtschaft nach Arbeitskräften zeigt sich auch bei der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt des Kantons St.Gallen. Wie zu erwarten war, stiegen die Zahlen im Jahr 2022 im Vergleich zu den Corona-Vorjahren an.
Das vermehrte Ausschöpfen des inländischen Arbeitskräftepotenzials reicht nicht aus, um den Bedarf an qualifizierten Arbeits- und Fachkräften zu decken. Somit rückt die Zuwanderung noch stärker in den Fokus. Kurzfristig und auch zur Befriedigung von Nachfragespitzen schaffen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der EU/EFTA Abhilfe, indem sie für maximal 90 Tage von Betrieben aus der EU/EFTA in die Schweiz entsandt werden oder für diesen Zeitraum eine Stelle bei einem Schweizer Betrieb antreten.
Meldeverfahren noch immer unter Niveau vor Corona
Die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen der Personenfreizügigkeit mit den EU-/EFTA-Staaten stiegen im Jahr 2022 leicht an. Rund 21'000 Personen aus dem Ausland traten eine Stelle bei Schweizer Betrieben an. Dazu kamen rund 13'000 Personen als Entsandte von ausländischen Betrieben sowie rund 2'300 selbständige Personen. Gesamthaft wurden durch diese Personen rund 402'000 Arbeitstage geleistet. Trotz des mengenmässigen Anstiegs liegen die Werte noch immer klar tiefer als im letzten Jahr vor der Pandemie: Im Jahr 2019 leisteten 40'000 Personen rund 460'000 Arbeitstage.
Stellensuchende zählte der Kanton St.Gallen Ende Dezember 2022.
Die RAV in Rapperswil-Jona und Heerbrugg konnten im Jahr 2022 ihre neuen Räumlichkeiten beziehen. An der Neuen Jonastrasse 60 (Rapperswil-Jona) und an der Bahnhofstrasse 20 (Heerbrugg) werden die Stellensuchenden nun in offenen Bürolandschaften betreut. Fanden die Beratungen früher in Einzelbüros statt, wird neu ein modernes Büro- und Beratungskonzept umgesetzt, das in funktionaler Hinsicht eine flexible Nutzung der Fläche ermöglicht und Beratungszonen von Bürozonen unterscheidet. Die Neuerungen machen den professionellen Aussenauftritt der St.Galler RAV sichtbar und stellt die offene, direkte Kommunikation ins Zentrum. Erfahrungen aus den RAV in St.Gallen, Wattwil und Wil haben gezeigt, dass offene Bürolandschaften die interdisziplinäre Zusammenarbeit unter den RAV-Dienstleistenden unterstützt.