Videoeinvernahmen – vom Papierprotokoll zur digitalen Datei

Seit Januar 2024 enthält die revidierte Strafprozessordnung in Art. 78a StPO eine gesetzliche Grundlage, die es Strafverfolgungsbehörden erlaubt, per Video aufgezeichnete Einvernahmen ohne schriftliche Protokollierung durchzuführen.

Die herkömmliche gleichzeitige schriftliche Protokollierung hat in der Befragungspraxis entscheidende Nachteile. Einerseits hält sie oft nicht den exakten Wortlaut fest, sondern eine summarische Wiedergabe der Aussagen. Andererseits müssen Aussagende immer wieder unterbrochen werden, um die Mitschrift sicherzustellen. Dies schmälert die Aussagequalität relevant. Gerade in Strafverfahren, in denen unmittelbar mit Aussagen Beweis geführt wird – etwa bei Vieraugendelikten wie schweren Sexualdelikten –, haben die exakten Aussagen entscheidende Bedeutung.

Neben diesem Vorteil bringt die Änderung gleichzeitig neue Herausforderungen mit sich. Die Räume für die Einvernahme müssen entsprechend technisch ausgerüstet und ausreichend verfügbar sein. Zudem benötigen die befragenden Personen eine Weiterbildung in Einvernahmetechnik. Ohne die verlangsamende Protokollierung wird die Gesprächsführung viel unmittelbarer und die befragenden Staatsanwältinnen und Staatsanwälte müssen viel situativer reagieren können. Schliesslich stellt sich auch die Frage, wie und durch wen die nachträgliche Verschriftung erfolgen soll, beruht doch das Schweizer Strafverfahren immer noch auf Schriftlichkeit. In diesem Zusammenhang sehen Staatsanwaltschaft und Kantonspolizei einen gemeinsamen Transkriptionspool mit sogenannten Transcriber-Stellen vor. Diese sollen per Video aufgezeichnete Einvernahmen nachträglich verschriften, zumindest bis KI-Verschriftungen zuverlässig einsetzbar sind. Erste Erfahrungen mit solchen Videoeinvernahmen zeigen, dass die Befragungen selbst relevant kürzer dauern. Wertvolle Ressourcen der befragenden Personen, der dicht belegten Einvernahmeräume und auch sämtlicher teilnahmeberechtigter Parteien werden so geschont. Mitunter erlaubt die neue Bestimmung also nicht nur eine qualitativ bessere Beweisführung, sondern auch einen zielgerichteten Ressourceneinsatz in der St.Galler Strafverfolgung. Dies gilt erst recht, wenn es irgendwann möglich ist, die Transkription mehrheitlich KI-basiert vorzunehmen.