Blick auf die Strafverfahrensführung
Interview mit Prof. Dr. Patrick Guidon, Bundesrichter und ehemaliger Kantonsrichter des Kantonsgerichts St.Gallen
Was werden übermorgen die Herausforderungen in der Strafrechtspflege sein?
Wie in anderen Bereichen dürfte spätestens übermorgen auch in der Strafrechtspflege die Frage zu beantworten sein, welche Rolle die künstliche Intelligenz – über die rein zudienende Funktion hinaus – bei der Verfolgung und Beurteilung von Straftaten spielen soll.
Welchen Entwicklungen in der Strafrechtspflege schaust Du mit Sorgen entgegen?
Sorge bereitet mir insbesondere die Überlastung der Strafbehörden. Diese zieht sich über sämtliche Instanzen hinweg, angefangen bei den Strafverfolgungsbehörden bis hin zum Bundesgericht.
Welche Eigenschaften muss eine Strafverfolgerin / ein Strafverfolger zwingend mitbringen, um den Job erfolgreich machen zu können?
Ich masse mir nicht an, als Richter hierauf eine zuverlässige Antwort geben zu können. Mit der gebotenen Zurückhaltung würde ich sagen, dass Strafverfolgerinnen und Strafverfolger angesichts ihrer herausfordernden Aufgaben nicht nur über die nötigen Fachkenntnisse zur Ausübung ihres wichtigen Amtes verfügen sollten, sondern vor allem auch über die dafür erforderlichen persönlichen Eigenschaften. Dazu gehört nach meiner Einschätzung, zielgerichtet und sachbezogen zu arbeiten, die nötige Distanz zu wahren und mit allen Verfahrensbeteiligten, gerade auch mit den beschuldigten Personen, respektvoll umzugehen.
Was hast Du Dir für Deine Arbeit in Lausanne vorgenommen, bzw. was willst Du in Lausanne erreichen?
In erster Linie möchte ich nach besten Kräften versuchen, der verantwortungsvollen Aufgabe gerecht zu werden. Daneben würde ich sehr gerne meine praktischen Erfahrungen auf kantonaler Ebene in die bundesgerichtliche Rechtsprechung einfliessen lassen.
Was stimmt Dich mit Blick auf die Strafverfolgung optimistisch, wenn Du in die Zukunft schaust?
Ich darf seit mittlerweile über 20 Jahren angehende Juristinnen und Juristen an der Universität unterrichten. Nach meiner Erfahrung sind die heutigen Studierenden – allen Unkenrufen zum Trotz – kein bisschen weniger kompetent als frühere Generationen. Es gibt zahlreiche junge Juristinnen und Juristen, die hochmotiviert und blitzgescheit sind. Das lässt mich hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.

Endlich die Wahrheit über die Staatsanwaltschaft
Im Live-Podcast am Tag der Staatsanwaltschaft 2023 im Square in St.Gallen ist der langjährige Kantonsrichter Prof. Dr. Patrick Guidon bei Duri Bonin zu Gast. Das Thema ist delikat und zielt ins Herz der Strafverfolgung: Die Wahrheit über die Staatsanwaltschaft. Was treibt Patrick als Richter an? Weshalb führt er aussergewöhnlich umfassende Einvernahmen durch? Wollte er mal Staatsanwalt oder Verteidiger werden? Wie ist das Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft, Anwaltschaft und Gericht? Wie beurteilt Patrick die Qualität der St.Galler Staatsanwaltschaft in der Strafuntersuchung? Bei der Protokollierung? Wie die Anklagen und die Plädoyers? Gibt es Unterschiede je nach Untersuchungsamt? Was sind die Erwartungen an das Plädoyer? Was ist seine Strategie bei schlechten oder zu langen Plädoyers? Gibt es Unterschiede in den Plädoyers vor Erst- und Zweitinstanz? Wie geht er mit dem Ankereffekt um? Hat er gewisse Staatsanwälte/innen lieber als andere? Und umgekehrt: Wollte er auch schon Staatsanwälte/innen austauschen? Sieht Patrick das Gericht in der Pflicht für die Qualität der Strafverfolgung? Was ist das Bedenklichste, dass er je gesehen hat? Hat es auch schon Fälle gegeben, wo er gerne die/den Staatsanwält/in ausgewechselt hätte? Was macht er in solchen Fällen? Und schliesslich: Was würde er in der Justiz ändern, wenn er Superkräfte hätte?