Rechtsprechung
Wegweisender Entscheid für die Staatsanwaltschaft im Jahr 2024.
Übersetzung von Verfahrenshandlungen – eine Herausforderung für alle Beteiligten
Eine beschuldigte Person hat das Recht, in einer ihr verständlichen Sprache den wesentlichen Inhalt der wichtigsten Verfahrenshandlungen zu erfahren. Sie hat aber keinen Anspruch auf vollständige Übersetzung aller Verfahrenshandlungen. Die Anklagekammer des Kantons St.Gallen hielt mit Entscheid vom 30. Mai 2024 (Fall-Nr.: AK.2024.115-AK neues Fenster) fest: Einer beschuldigten Person, auch wenn sie verteidigt wird, ist in einer ihr verständlichen Sprache mindestens der wesentliche Inhalt der wichtigsten Verfahrenshandlungen mündlich oder schriftlich zur Kenntnis zu bringen. Anspruch auf vollständige Übersetzung aller Verfahrenshandlungen und der Akten besteht jedoch nicht. Diese Grundsätze gelten auch im Strafbefehlsverfahren. Demnach sind das Dispositiv und die Rechtsmittelbelehrung des Strafbefehls zu übersetzen. Dies entbindet die beschuldigte Person nicht davon, ihren Übersetzungsbedarf zu signalisieren. Sie ist gehalten, sich über den Inhalt einer Verfügung zu erkundigen.
In der Praxis stellt die Übersetzung von Verfahrenshandlungen eine Herausforderung dar, da die sprachlichen Kompetenzen der involvierten Personen nicht immer klar sind. Zudem sind nicht immer Dolmetscherinnen und Dolmetscher zeitlich oder für die benötigte Sprache verfügbar. Folgendes Vorgehen soll als Beispiel dienen, wie die Staatsanwaltschaft den Anforderungen an eine hinreichende Übersetzung möglichst effizient nachkommt: Werden Strafbefehle unmittelbar im Anschluss an eine gedolmetschte Befragung erlassen, übersetzt die dolmetschende Person das Dispositiv (das den Rechtsspruch bzw. die Sanktion beinhaltet) und die Rechtsmittelbelehrung des Strafbefehls direkt.