Psychisch schwer gestört oder doch «bloss» kriminell?

Auf die Tat folgt die Strafe. Diese Konsequenz entspricht dem Sühnegedanken unseres Strafrechts. Wer den Rechtsfrieden in unserer Gesellschaft bewahren will, muss daher Straftaten effektiv verfolgen und konsequent Recht sprechen. So weit, so gut. Doch was tun, wenn die straffällige Person psychisch krank ist?

Strafe allein wird dann schnell zum stumpfen Schwert – erst recht, wenn es darum geht, der Gefahr künftiger Straftaten effektiv zu begegnen. Sind schwerste Verbrechen zu befürchten, geben psychiatrische Gutachten Aufschluss – einerseits zur medizinischen Diagnose und andererseits zur Rückfallgefahr. Das Strafgesetzbuch legitimiert das Gericht, eine therapeutische Massnahme anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Strafen zu begegnen, und ein Behandlungsbedürfnis des Täters besteht.

Gefährlichkeit und Gefährlichkeitsprognose
Die Ausprägung der Sozialgefährlichkeit bestimmt wesentlich die Intensität und die Dauer der Behandlung des Straftäters. Massnahmen haben somit zum Ziel, das Rückfallrisiko zu vermindern. Die verurteilte Person soll künftig nicht mehr straffällig werden. Im Unterschied zu einer Freiheitsstrafe bestimmt nicht der blosse Zeitablauf das Ende der Massnahme. Diese dauert vielmehr grundsätzlich so lange, bis ihr Zweck erreicht ist oder sie sich als aussichtslos erweist.

Ziel der therapeutischen Massnahme
Die eingewiesene Person wird aus dem stationären Vollzug der Massnahme bedingt entlassen, sobald ihr Zustand es rechtfertigt, sich in Freiheit zu bewähren. Ziel ist also die Resozialisierung in Freiheit. Hierzu braucht es vorab Vollzugslockerungen. Gerade bei langjährigem Freiheitsentzug besteht ein vitales öffentliches Interesse, dass die im Vollzug erzielten Therapieerfolge erprobt werden. Dazu soll sich die eingewiesene Person im Rahmen von Vollzugsöffnungen schrittweise an die Freiheit gewöhnen und sich dabei bewähren. Diese Öffnungsschritte zu verantworten, ist indes ein heikler Balanceakt. Massstab ist das Risiko für erneute Straftaten, mithin die Gefährlichkeit des Straftäters. Die Einschätzung der Gefährlichkeit und die Prognosebeurteilung haben im Massnahmenvollzug also zentrale Bedeutung. Es gibt diffizile Grenzentscheide, bei denen die Sicherheit der Bevölkerung auf dem Spiel steht. In solchen Fällen schafft die Fachkommission zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit von Straftäterinnen und Straftätern durch eine interdisziplinäre Beurteilung einen wesentlichen Mehrwert.

Risikominimierung als Balanceakt
Der Umgang mit diesem Risiko führt zu berechtigten Diskussionen – insbesondere wenn es während Vollzugslockerungen zu Rückfällen kommt. Die Bevölkerung hat Anspruch auf Sicherheit. Diesem Thema nahm sich der «Club» im SRF im August 2024 an. Peter Straub, Leitender Staatsanwalt und Präsident der Fachkommission zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit, bezog dabei dezidiert Stellung.

Hat eine Straftäterin oder ein Straftäter schwerste Gewalt- oder Sexualverbrechen begangen, ist seine Rückfallwahrscheinlichkeit hoch und besteht zudem keine Aussicht auf erfolgreiche Behandlung, verbleibt nur die Verwahrung, die auch lebenslang ausgesprochen werden kann. In einem Rechtsstaat ist dies immer ultima ratio, aber in seltenen Fällen doch notwendig.

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«Club» im SRF vom 20. August 2024

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