Rahmenkonzept Adoleszentenpsychiatrie

Mit dem Rahmenkonzept «Adoleszentenpsychiatrie» wurde die Grundlage zur Realisierung spezifischer Versorgungsstrukturen und -angebote für Jugendliche und junge Erwachsene mit psychischer Erkrankung geschaffen.

Die psychiatrische Versorgung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen (15–25 Jahre) in den bestehenden Strukturen im Kanton St.Gallen wird von den beteiligten Fachpersonen als nicht ausreichend beurteilt und zunehmend als Versorgungslücke wahrgenommen. Die Versorgungssituation hat sich durch die Corona-Pandemie nochmals verschärft bei permanent hoher Belastung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Bei aktuell fehlenden Therapieplätzen und spezifischen Leistungsangeboten besteht ein erhöhtes Risiko von langen Wartezeiten, Fehlplatzierungen und Therapieabbrüchen, was zu Störungsverschärfungen, Chronifizierungen und letztlich zur staatlichen Abhängigkeit der Betroffenen führen kann (IV-Berentung). So werden im Kanton St.Gallen knapp ein Fünftel der jährlichen Neurenten aufgrund psychischer Erkrankung jungen Erwachsenen bis 25 Jahre zugesprochen.

Wichtige Phase in der Entwicklung

Ein spezifisches Versorgungsangebot in dieser Altersgruppe ist essenziell, da sich die Mehrzahl der psychischen Erkrankungen während der Adoleszenz entwickelt und im Erwachsenenalter häufig bestehen bleibt. Für den Erfolg von Behandlungen ist es entscheidend, dass die anstehenden Entwicklungsaufgaben (Identitätsfindung, Abschluss Berufsbildung, eigenständiges Wohnen etc.) sowie die sozialen Probleme der Betroffenen in die Therapie miteinbezogen werden und eine kontinuierliche Betreuung ins Erwachsenenalter erfolgt. Dazu wird eine Kombination von Behandlungsansätzen sowohl aus der Jugend- wie auch der Erwachsenenpsychiatrie benötigt. Nur durch eine bedarfsgerechte Behandlung und Betreuung dieser Patientengruppe können langfristig kostenintensive Folgebehandlungen, Erwerbsausfälle und IV-Berentungen verhindert oder minimiert werden.

Gegenwärtig bestehen alters- anstelle von reifeabhängigen Angebotsstrukturen und voneinander losgelöste jugend- und erwachsenpsychiatrische Behandlungskonzepte mit entsprechender Schnittstellenproblematik.

Rahmenkonzept als Grundlage

Das Rahmenkonzept «Adoleszentenpsychiatrie» bezeichnet vier Handlungsfelder:

  1. Schaffung von spezifischen Therapieangeboten für Adoleszente
  2. Verbesserung der Schnittstellen zwischen jugend- und erwachsenpsychiatrischen Angeboten
  3. Ausbau der sozialpädagogischen Unterstützungsleistungen
  4. Systemische Beratung

Im Rahmenkonzept sind insgesamt fünf konkrete Vorgehensvorschläge zur Verbesserung der Situation von jungen Erwachsenen mit psychischen Erkrankungen im Kanton St.Gallen skizziert:

  1. Mit der aufsuchenden Therapie sollen zukünftig schwer erreichbare Adoleszente wohnortnah behandelt werden.
  2. Es wird ein tagesklinisches Angebot benötigt, das die Lücke zwischen ambulanter und stationärer Behandlung für Jugendliche und junge Erwachsene mit psychischer Erkrankung schliesst.
  3. Im Bereich der stationären Versorgung werden spezifische Behandlungsstrukturen, die auf diese Altersgruppe ausgerichtet sind, sowie ein systemischer Behandlungsansatz aus den Kompetenzen der Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie benötigt.
  4. Zur Stärkung der psychosozialen Entwicklung von belasteten Jugendlichen und jungen Erwachsenen in schwierigen familiären Verhältnissen wird die Finanzierung der sozialpädagogischen Familienbegleitung vorgeschlagen. Es wird von rund 200 Familien mit indiziertem Bedarf und Kosten in der Höhe von 3,2 Mio. Franken ausgegangen.
  5. Mit der Entwicklung eines psychosozialen Beratungs- und Betreuungsangebots sollen zukünftig Jugendliche und junge Erwachsene mit psychischer Erkrankung besser bei gesundheitlicher, kontextueller und sozialer schwieriger Lage unterstützt werden. Es wird von rund 90 Fällen pro Jahr ausgegangen, die in den bestehenden Hilfesystemen nicht oder nicht mehr ausreichend Unterstützung finden.

Für die weitere Konkretisierung der einzelnen Massnahmen sind in einem nächsten Schritt die zuständigen Leistungserbringer gefordert. Diese haben sich in einer gemeinsamen Absichtserklärung zur zukünftigen Stärkung der Adoleszentenpsychiatrie bereit erklärt. Einige Projekte haben bereits konkrete Formen angenommen.

Bediente Schwerpunktziele

Chancengerechtigkeit sicherstellen