Nahrungsergänzungsmittel auf pflanzlicher Basis
Nahrungsergänzungsmittel (NEM) sind ein grosses Geschäft. Neben den klassischen NEM mit Mineralstoffen und Vitaminen boomen vor allem NEM mit pflanzlichen Zutaten (Botanicals). Diese Produkte sind jedoch nicht immer rechtskonform und stehen daher zunehmend im Fokus der Lebensmittelbehörden.
Stoffe und Pflanzen, welche Lebensmitteln nicht zugesetzt werden dürfen
Monascus Purpureus: In der Schweiz darf Monascus purpureus (Rotschimmelreis, rote Reishefe) weder als Lebensmittel noch als Arzneimittel vermarktet werden. Als Lebensmittel darf Rotschimmelreis nicht verwendet werden, da Sicherheitsbedenken bestehen.
Melatonin: In der Schweiz sind Melatonin-Präparate nur als Arzneimittel verkehrsfähig. Die zugelassenen Präparate sind rezeptpflichtig. Im Gegensatz zu Arzneimitteln unterliegt die Sicherheitsbewertung von Lebensmitteln nicht eine Wirkung/Nebenwirkungsabwägung. Die Verwendung von Melatonin in Lebensmitteln ist in der Schweiz aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht erlaubt.
Verbotene Pflanzen: Im Anhang 1 der Verordnung des EDI über Lebensmittel pflanzlicher Herkunft, Pilze und Speisesalz (VLpH, SR 817.022.17) vom 16.12.2016 sind Pflanzen, Pflanzenteile oder daraus hergestellte Zubereitungen aufgelistet, welche aufgrund bekannter Risiken nicht als Lebensmittel verwendet oder Lebensmitteln nicht zugesetzt werden dürfen.
Das AVSV war im Jahr 2024 massgelblich an der Ausarbeitung und Koordination einer nationalen Kampagne beteiligt. Dabei wurden schweizweit insgesamt 127 Proben, überwiegend Nahrungsergänzungsmittel (NEM), aus Schweizer Onlineshops untersucht. Für 113 Proben (89%) mussten zum Schutze von Konsumentinnen und Konsumenten Abgabeverbote angeordnet werden, da diese verbotene oder nicht bewilligte neuartige Zutaten enthielten. Zudem war nahezu jeder fünfte Onlineshop nicht bei der Lebensmittelkontrolle gemeldet. Auch wenn gestützt auf eine Vorselektion nur verdächtige Produkte untersucht wurden muss das Gesamtergebnis als schlecht beurteilt werden. Die in der Verantwortung stehenden Betriebe sind gefordert ihre Selbstkontrolle nachhaltig zu verbessern, damit ihre Produkte die lebensmittelrechtlichen Anforderungen erfüllen.
Im Kanton SG wurden im Rahmen der nationalen Kampagne von sieben Betrieben insgesamt zehn NEM geprüft. Diese mussten allesamt beanstandet werden. Für sieben Proben wurde ein Verkaufsverbot angeordnet. Ergänzend wurde in drei Fällen eine Rücknahme bzw. ein Rückruf einverlangt. Folgende nicht abschliessend genannten Mängel wurden festgestellt:
- Zwei Proben enthielten Extrakte von Cimifuga racemosa bzw. Mucuna Pruriens. Diese pflanzlichen Zutaten sind zur Verwendung in Lebensmitteln verboten. Das Produkt mit der Zutat Mucuna Pruriens (Juckbohne) wurde mit der nicht erlaubten Anpreisung «zur Steigerung des Sexualtriebes und der Ausdauer» beworben. Analytisch konnte zudem der Arzneimittelwirkstoff «Sidenafil» in relevanter Menge festgestellt werden. Dieser Wirkstoff wird zur Behandlung von Erektionsstörungen beim Mann eingesetzt.
- Zwei weitere NEM enthielten selektiv aufkonzentrierte pflanzliche Extrakte (Roter Panax Ginseng; Mariendiestel). Die ausgewiesenen Wirkstoffe «Ginsenoside» und «Silymarin» dieser Extrakte lagen in pharmakologisch relevanten Mengen vor. Dies ist für Lebensmittel nicht statthaft.
- Bei vier Proben konnten die Hersteller nicht in hinreichender Weise belegen, dass die verwendeten Pflanzenextrakte nicht von der Novel Food Regelung erfasst werden.
- Eine Probe wurde aufgrund der unzureichend belegten Sicherheit der eingesetzten Pflanzenextrakte (Curcuma, Pfeffer) beanstandet.
- In zwei Proben wurde die erlaubte Höchstmenge an Zink pro empfohlener, täglicher Verzehrmenge überschritten.
Ein Hersteller hat gegen die angeordneten Massnahmen (u.a. Verkaufsverbot) seines Produkte Einsprache erhoben. Diese Einsprache wurde vom AVSV abgewiesen. Weitere Rechtsmittel (Rekurs) wurden vom Betrieb nicht ergriffen. Die sichergestellte Warenmenge wurde in der Folge vernichtet.
Neuartige Lebensmittel
Der Begriff «neuartige Lebensmittel» bezieht sich auf Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 in der EU und der CH nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Beispiele für neuartige Lebensmittel sind Cañihua, Proteinextrakte aus Insekten, cannabinoidhaltige Hanfextrakte, einjähriger Beifuss oder z.B. L-Alpha-Glycerylphosphorylcholin. Gemein ist diesen Lebensmitteln, dass aufgrund der fehlenden Verzehrhistorie als Lebensmittel in der EU bzw. CH keine ausreichend erfahrungsbedingte Sicherheit besteht. Neuartige Lebensmittel müssen daher vor Marktzugang bewilligt werden. Eine Bewilligung wird nur erteilt, wenn die lebensmittelrechtlichen Anforderungen an die Sicherheit belegt werden können und kein Verstoss gegen das Täuschungsverbot vorliegt.