Bewältigung der Migrationslage

Schutzsuchende aus der Ukraine, eine markante Zunahme von illegalen Migranten an der Ostgrenze (Bahnhof Buchs) und stark schwankende Zahlen im Asylbereich prägten das Berichtsjahr.

Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherung (BAZG) hat im Jahr 2022 etliche Migranten (grossmehrheitlich Männer) an der Ostgrenze aufgegriffen:

In der Woche 39/2022 wurden vom BAZG 1’150 Migranten aufgegriffen. Aufgrund der nicht mehr konsequent alle Züge und Personen aus Österreich umfassenden Kontrollen durch das BAZG ist jedoch von höheren Migrantenzahlen auszugehen.
In der Woche 39/2022 wurden vom BAZG 1’150 Migranten aufgegriffen. Aufgrund der nicht mehr konsequent alle Züge und Personen aus Österreich umfassenden Kontrollen durch das BAZG ist jedoch von höheren Migrantenzahlen auszugehen.

Seit Mitte 2021 hat die Schweiz an der Ostgrenze zunehmend illegale Einreisen von Drittstaatsangehörigen festgestellt, die ohne Asylantrag hauptsächlich nach Frankreich oder England weiterreisen wollten. Der Kanton hat deshalb das Konzept «Refugio» aktiviert. Die Kantonspolizei nahm das Provisorische Bearbeitungszentrum (POB) Ochsensand in Buchs am 3. Januar 2022 in Betrieb.

Die involvierten Akteure arbeiteten eng zusammen und konnten so in einem Tag ein rechtstaatlich korrektes Verfahren durchführen und gegebenenfalls ein Dublin-Verfahren anstossen.

Das Provisorische Bearbeitungszentrum (POB) Ochsensand in Buchs war vom 3. Januar bis zum 10. März 2022 in Betrieb.
Das Provisorische Bearbeitungszentrum (POB) Ochsensand in Buchs war vom 3. Januar bis zum 10. März 2022 in Betrieb.

Zwischen dem 3. Januar und dem 10. März 2022 wurden im POB über 2’000 Verfahren bearbeitet. Die meisten Migranten setzten indessen noch vor der Umsetzung des Dublin-Verfahrens ihre Reise fort. Es besteht keine Handhabe, sie länger festzuhalten oder umgehend nach Österreich zurückzuführen. Die grossen Anstrengungen haben aufgezeigt, dass sich das Problem mit nationalen Massnahmen allein nicht lösen lässt. Sowohl das Dublin- wie auch das trilaterale Rückübernahmeabkommen funktionieren im Zusammenhang mit der vorliegenden Transitmigration nicht. Deswegen hat der Kanton den Betrieb des POB schliesslich eingestellt.

Im Provisorischen Bearbeitungszentrum (POB) Ochsensand in Buchs arbeiteten Zoll Ost, Migrationsamt, Amt für Militär und Zivilschutz, Kantonspolizei St.Gallen, SRK, HEKS, VüCH AG sowie zahlreiche Dolmetscherinnen und Dolmetscher Hand in Hand.
Im Provisorischen Bearbeitungszentrum (POB) Ochsensand in Buchs arbeiteten Zoll Ost, Migrationsamt, Amt für Militär und Zivilschutz, Kantonspolizei St.Gallen, SRK, HEKS, VüCH AG sowie zahlreiche Dolmetscherinnen und Dolmetscher Hand in Hand.

Schutzsuchende aus der Ukraine

Mit Beginn des Krieges in der Ukraine waren alle Staatsebenen durch den enormen Zustrom an flüchtenden Menschen aus der Ukraine gefordert. Diesen Personen wurde vom Bund erstmals der Aufenthaltsstatus «S» – für Schutzsuchende – erteilt. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) musste innerhalb weniger Tage ein neues Verfahren definieren, das von den Kantonen umzusetzen war. Dem Kanton St.Gallen wurden im Jahr 2022 insgesamt über 4’400 Schutzsuchende zugewiesen.

Mehr als 1’000 Schutzsuchende wurden dem Kanton St.Gallen in den Monaten April und Mai vom Bund zugewiesen. Seit Juli haben sich die Zuweisungen auf rund 200 Personen pro Monat stabilisiert.
Mehr als 1’000 Schutzsuchende wurden dem Kanton St.Gallen in den Monaten April und Mai vom Bund zugewiesen. Seit Juli haben sich die Zuweisungen auf rund 200 Personen pro Monat stabilisiert.

Auch innerhalb des Kantons wurde innert kürzester Zeit für die Erledigung der administrativen Aufgaben ein neuer Prozess aufgegleist. Die Schutzsuchenden wurden von den Gemeinden in einem Kollektivzentrum, bei Privatpersonen oder in zugeteilten Wohnungen untergebracht. Die Zusammenarbeit zwischen dem Kanton und den Gemeinden gestaltete sich in diesem Bereich konstruktiv. Für alle Personen mit einer «S»-Bewilligung stellte das Migrationsamt einen Ausweis aus. Selbst wenn der Zustrom in den letzten Monaten nachgelassen hat, ergibt sich durch Wohnort- oder Kantonswechsel, Arbeitsbewilligungen, Rückkehrberatungen sowie Geburten eine dauerhafte Mehrbelastung für das Migrationsamt.

Das Migrationsamt stellt für alle Personen mit einer «S»-Bewilligung einen Ausweis S aus.
Das Migrationsamt stellt für alle Personen mit einer «S»-Bewilligung einen Ausweis S aus.

Schwankende Zahlen im Asylbereich

Ab Mitte Oktober stiegen die Zuweisungen von Asylsuchenden durch den Bund in die kantonalen Asylzentren massiv an.
Ab Mitte Oktober stiegen die Zuweisungen von Asylsuchenden durch den Bund in die kantonalen Asylzentren massiv an.

Im Jahr 2022 schwankten die Zuweisungen von Asylsuchenden durch das Staatssekretariat für Migration stark. Im Frühjahr konnten die Corona-Massnahmen aufgehoben werden, wodurch höhere Auslastungen in den Zentren für Asylsuchende möglich wurden.

Bis zu den Sommermonaten waren die Kollektivzentren unterdurchschnittlich belegt, sodass der Kanton Sparmassnahmen ergriff (zum Beispiel Personal aufgrund natürlicher Fluktuation nicht ersetzt). Im Herbst verdichteten sich die Anzeichen, dass die Zahl von Asylsuchenden stark ansteigen wird. Die kantonalen Zentren trafen entsprechende Vorkehrungen. Allein im Oktober 2022 wurden in der Schweiz 3’208 Asylgesuche gestellt. So gross war der monatliche Zustrom seit Januar 2016 nicht mehr.

Die Bundesasylzentren füllten sich schnell. Infolge des raschen und erheblichen Anstiegs von Asylgesuchen wies das Staatssekretariat für Migration den Kantonen die Asylsuchenden noch vor Ablauf der Höchstdauer des Aufenthaltes in den Bundeszentren zu. Das Migrationsamt musste teilweise bis zu 80 Personen pro Woche zusätzlich unterbringen und betreuen. Die Vorlaufzeit der Zuweisung betrug jeweils nur wenige Tage. Die vorhandenen Kapazitäten in den bestehenden Zentren des Kantons waren schnell erschöpft; folglich musste der Kanton die Bettenzahl markant erhöhen.

So schuf der Kanton in den Zimmern zusätzliche Liegeplätze oder wandelte Speisesäle, Aufenthaltsräume oder gar eine Turnhalle in Schlafräume um, damit der starke Zustrom weiterhin bewältigt werden konnte. Die Auslastung in den Zentren stieg durch diese Massnahmen weit über 100 Prozent. Das zusätzliche Asylzentrum «Linth» in Uznach, dessen Eröffnung erst für Anfang 2023 vorgesehen war, musste der Kanton vorzeitig schon Anfang Dezember eröffnen.

Im November wandelte der Kanton im Asylzentrum Thurhof ein Aufenthaltszimmer in einen Schlafraum um.
Im November wandelte der Kanton im Asylzentrum Thurhof ein Aufenthaltszimmer in einen Schlafraum um.

Aufgrund der aktuellen Lage bildete die Bewältigung der Migrationslage einen Schwerpunkt des letzten Jahres. Die Schwerpunktplanung der Regierung fokussiert auf diejenigen Themenbereiche, welche für die Entwicklung des Kantons als besonders relevant angesehen werden. Die Bewältigung der Migrationslage gehört nicht dazu; sie lässt sich daher keinem Schwerpunkt / strategischen Ziel der Schwerpunktplanung sinnvoll zuordnen. 

Wegen der markanten Verschärfung der Lage im Asylbereich nahm der Kanton das Asylzentrum «Linth» in Uznach vorzeitig am 1. Dezember 2022 in Betrieb.
Wegen der markanten Verschärfung der Lage im Asylbereich nahm der Kanton das Asylzentrum «Linth» in Uznach vorzeitig am 1. Dezember 2022 in Betrieb.